Handling der Vogelpatienten in der Kleintierpraxis

Neben Katzen, Hunden und den kleinen Heimtieren (insbesondere Kaninchen und Meerschweinchen) erfreuen sich kleine Singvögel und Papageien zunehmender Beliebtheit bei den Tierbesitzern. Oft ist es die Farbenpracht sowie die Sing- und Sprecheigenschaften der Vögel, die den Besitzer besonders faszinieren.

Vögel in der Tierarztpraxis sind sehr interessante und spannende Patienten. Diese Tiere sind einfach anders als Hunde, Katzen und Kaninchen – und dies macht die Arbeit mit dieser Spezies so erlebnisreich.
 
 

Was muss ein Tierbesitzer beachten, wenn sein Tier zum Tierarzt muss?

  • oft benötigt der Vogel beim Transport Schutz gegen kalte Witterung und benötigt zusätzliche Wärme
  • der Vogel sollte nicht in einer kleinen Pappschachtel, sonder nach Möglichkeit im eigenen Käfig gebracht werden
  • der Käfig sollte vorher nicht gesäubert werden, als Unterlage ist Papier oder Zeitung besser als Sandstreu
  • das Wasser sollte aber vor dem Transport entfernt werden
  • das verabreichte Futter oder eventuelle Arzneimittel sollten mitgebracht werden
 
 

Der Vogelbesitzer in der Praxis

Beim Tierarztbesuch wird darauf geachtet, dass der Vogelkäfig nicht auf den Fußboden abgestellt wird und damit eine scheinbare interessante „Beute“ für wartende Hunde und Katzen darstellt. Der Vogelkäfig steht nach Möglichkeit in Augenhöhe und wird abgedeckt.

Wenn der Vogelbesitzer den Behandlungsraum betritt wird nie sofort der Vogel gleich herausgefangen. Zunächst wird das Verhalten des Vogels im Käfig beobachtet und gleichzeitig der Käfig (einschließlich die Einstreu, Kotbeschaffenheit) inspiziert. Vor der Durchführung jeglicher Maßnahmen sollte der Patientenbesitzer, insbesondere bei sichtlich schwer erkrankten Tieren, auf das mit der Zwangsmaßnahme verbundene Risiko eines Kreislaufkollapses und das Auftrete einer sogenannten „Schreckmauser“ (Abwerfen großer Mengen von Federn trotz fachgerechten Vorgehens) hingewiesen werden. Dies beugt späteren Missverständnissen seitens des Tierbesitzers vor.
 
 

Herausfangen der Vogelpatienten

Bevor die Vogelpatienten zur Untersuchung und eventueller Behandlung herausgefangen werden, sollte das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Die TFA Tiermedizinische Fachangestellte) bereitet bereits vorher weitere Arbeitsschritte vor (evtl. Blutentnahme, Tupferproben, Kropfspülungen, Röntgen, evtl. Medikamentengabe). Dies erspart ein eventuelles erneutes Herausfangen des Tieres und vermeidet somit Stress für Tier und auch Tierarzthelferin.

Kleine Ziervögel wie Kanarien, Finken und auch Wellensittiche werden mit einem dünnen Handtuch oder Zellstoff herausgefangen. Man sollte diese Tiere nicht mit der Hand herausfangen, da diese sonst handscheu werden. Zellstoff bietet den Vorteil, dass die Krallen nicht im Stoff „hängen“ bleiben können. Zunächst muss sichergestellt werden, dass alle Fenster und Türen verschlossen sind. Bei großen Fensterscheiben sind Jalousien sinnvoll, damit ein entflohener Vogel sich nicht zu schnell der Scheibe nähert. Vor dem Herausfangen des Vogels ist sicherzustellen, dass sämtliches Spielzeug und evtl. auch die Sitzstangen vorher herausgenommen werden, damit die Hand der TFA nicht am Spielzeug „hängen bleibt“. Bei engen Flügeltüren empfiehlt es sich, den Patienten durch die Bodenöffnung des abgenommenen Käfigoberteils hindurch einzufangen. Durch einen ruhig, aber zielstrebig erfolgenden Griff wird der Körper des in einem Käfig befindlichen Ziervogelpatienten nach Möglichkeit von hinten mit Zellstoff ergriffen, wobei die Flügel am Köper sanft fixiert werden. Mit Daumen und Zeigefinger wird der Kopf des Tieres festgehalten. Kleinere Vögel lassen sich in der hohlen Hand fixieren, wenn Daumen und Zeigefinger den Kopf seitlich an den Wangen halten. Dies wird als Zangengriff bezeichnet. Dabei darf kein Druck auf die Augen ausgeübt werden. Die Fixation der Schwingen erfolgt im Handteller und der gestreckten Ständer mit kleinem Finger und Ringfinger.

Der Brustkorb und der Bauch dürfen durch die Hand nicht gedrückt werden, ansonsten kann das Tier nicht mehr atmen. Vögel haben kein Zwerchfell und sind deshalb für ihre Atmung zwingend auf die Brustbeinbewegung angewiesen. Das Halten dieser kleinen Vögel sollte nur sehr kurzzeitig sein, da diese Tiere sehr stressanfällig sind. Alternativ dazu gibt es bei kleinen Vögeln der „Scherengriff“. Hierbei erfolgt die Fixation des Kopfes mit Zeige- und Mittelfinger im oberen Halsbereich. Somit bleibt der Daumen frei für weitere Manipulationen.
 

 
 

 
Nymphensittiche und Agaporniden lassen sich ebenfalls mit einem dünnen Handtuch herausfangen. Eventuell wird das Handtuch auf dem Kopf des Tieres geworfen. Dadurch werden die Vögel manövrierunfähig. Dicke Lederhandschuhe scheinen hier ungeeignet, weil diese Tiere dann schlecht zu fixieren sind. Während der Untersuchung werden diese Vögel ebenfalls mit einer Hand (Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger) gehalten.

Größere Papageien und Sittiche werden mit Handschuhen und oder einem Tuch herausgefangen. Dabei wird der Vogelkäfig von unten geöffnet und blitzschnell der Kopf des Tieres erfasst oder ein Handtuch auf dem Kopf „geworfen“. Der Schnabel ist hierbei die stärkste Waffe des Papageis (Kakadu bedeutet Kneifzange). Deshalb ist das schnelle Ergreifen des Kopfes von besonderer Bedeutung. Die meisten Papageienvögel versuchen, sich dem Festhalten zu entziehen, indem sie an der Käfigrückwand in einer Ecke hochklettern. Dabei kehren sie dem Untersucher naturgemäß den Rücken zu. Dies ist für das Herausfangen durch den Untersucher von Vorteil. Durch Herandrücken des Papageis gegen das Käfiggitter wird der Fangvorgang erleichtert.

Oft werden größere Papageien in Holzkisten transportiert. Aus diesen kann der Patient leicht entnommen werden. Durch das „optische Ruhigstellen“ im dunklen Behältnis wird ein transportbedingtes Verletzungsrisiko minimiert. Oft stellen aber Nägel oder Schrauben (werden als Verschluss der Kiste verwendet) eine zusätzliche Verletzungsgefahr für die Tiermedizinische Fachangestellte dar. Das Halten des Papageis erfolgt durch den Kopfgriff mit Daumen und Mittelfinger im Kiefergelenksbereich bei gleichzeitiger Rotationsstabilisierung durch den Zeigefinger auf dem Hinterkopf des Pattienten („Kappengriff“). Die andere Hand fixiert die Ständer. Der Körper des Vogels (mitsamt der Flügel) wird leicht von der haltenden Person an den Oberköper angelegt. Alternativ kann man auch die Flügel in ein Handtuch einwickeln. Übt man einen leichten Zug aus, so dass der Vogel gut gestreckt ist, fällt die Fixation leichter.

Falls der Vogel sich beim Herausnehmen so weit befreit, dass er nur noch am Kopf fixiert ist, sich sonst aber windet und mit dem Flügel flattert, muss er losgelassen werden. Ansonsten besteht Verletzungsgefahr. Auch diese Vögel lassen sich relativ einfach mit einem Tuch (diese Tiere sind nach zwei Runden meistens schon erschöpft) oder mit einem Köcher einfangen.

Verletzte Schwäne werden oft von Einsatzkräften gebracht. Beim Herausnehmen dieser Tiere muss ebenfalls der Kopf zuerst mit einer Decke gesichert werden. Gleichzeitig werden die Flügel in diese Decke gepackt.
Große Vorsicht ist vor blitzschnellen, reflexgeleiteten Schnabelstichen (z.B. Graureiher oder Störche) in Richtung des Auges des Fängers geboten. Dies birgt eine gr0ße Verletzungsgefahr für die Augen der TMFA.

Bei dem Herausfangen der Greifvögel sollte insbesondere auf deren stärkste Waffe – die Greife geachtet werden. Greifvögel können ihre Greife, ohne zwischendurch locker zu lassen, schraubstockartig in den Arm der Tiermedizinischen Fachangestellten krallen. Deshalb sind feste Lederhandschuhe (sogenannte Schweißerhandschuhe), die fast bis zum Ellenbogen gehen, zu verwenden. Am günstigsten ist es, den Vogel von oben mit beiden Händen gegen den Grund zu fixieren und sich dann seitlich nach unten vorzutasten, bis man beidseitig die Beine zwischen den Fingern hat. Dann kann man beide Ständer durch Eingreifen von vorne sicher fixieren. Oft legt sich der Greifvogel bei dem Herausfangen auf dem Rücken, so dass die Greife problemlos zuerst erfasst werden können. Bei Falken (Bisstöter) sollte der Schnabel auch beachtet werden, wenngleich ein Biss für den Menschen kaum schmerzhaft ist.
 
 
Tauben werden meistens durch den „Taubenhaltergriff“ gehalten. Es erfolgt die Fixation der Ständer zwischen Zeige- und Mittelfinger sowie der Schwingen mit dem Daumen auf die Schwanzwurzel. Der Kopf des Tieres ist zum Körper des Untersuchers gerichtet. Durch dieses „Hindernis“ werden Fluchtversuche in den freien Raum wirksam unterdrückt („0ptisches Ruhigstellen).

Bei Vögeln bis Taubengröße und fehlender Verletzungsgefahr durch den Schnabel (z.B. Tauben, Amseln) wird der Blumenstraußgriff angewendet.

Größere Laufvögel (z.B. Strauß) sind nur selten Patienten in der Praxis. Hierbei ist zu beachten, dass diese Tiere mit ihren Beinen sowohl nach vorn als auch nach hinten wie ein Pferd ausschlagen können. Deshalb muss bei Hilfsmaßnahmen die Tierarzthelferin sich so platzieren, dass sie nicht getroffen werden kann. Der Kopf dieses Tieres kann zusätzlich abgedeckt werden.
 

 
Bei Hühnervögeln werden zuerst die Ständer ergriffen, während Wassergeflügel zunächst am Hals fixiert und durch Herunterdrücken des Kopfes provisorisch ruhiggestellt werden.
 
 

Umgang beim Röntgen der Vögel

Wie bei den Röntgenaufnahmen von Hund und Katze sind auch hier die gesetzlichen Bestimmungen des Strahlenschutzes exakt einzuhalten. Insbesondere wird auf das Einhalten der Strahlenschutzmaßnahmen nach der Röntgenverordnung vom 8.1.1987 und der Verordnung zur Änderung der Röntgenverordnung vom18.6.2002 hingewiesen. Die Strahlenschutzkleidung und ein Dosimeter sind obligatorisch. Schwangere und Personen unter 18 Jahre dürfen auf keinem Fall den Kontrollbereich betreten.

Das Röntgen ist ein wichtiges Diagnostikum in der Vogelpraxis. Andere Untersuchungsmöglichkeiten bleiben uns oft versagt (z.B. Blutuntersuchung eines Kanarienvogels). Dafür zaubern uns die mit Luft gefüllten Luftsäcke hervorragende Bilder mit sehr gutem Kontrast.

Besonders schwierig ist das Röntgen kleiner Vögel. Das Halten dieser Vögel mit Röntgenhandschuhen ist praktisch fast unmöglich. Auch das „Festkleben“ eines Kanarienvogels auf der Röntgenkassette ist recht abenteuerlich und beschädigt das Federkleid schwer. Deshalb ist es besser, die Tiere mittels Inhalationsnarkose kurz schlafen zu lassen und die Ständer (Beine) des Vogels mit Bändern zu halten. Die Flügel können mittels kleiner Bleilamellen am Flügelrand auf die Röntgenkassette gedrückt werden, ohne den Vogel zu erdrücken. Etwas größere Vögel (z.B. Amazonen) kann man ohne Probleme und ohne Narkose in der im Bild gezeigten Röntgenfixierplatte für Papageien „einspannen“. Dies akzeptieren die Tiere erstaunlicherweise gut und die Tiermedizinische Fachangestellte kann zum Röntgen eventuell sogar den Raum verlassen, sich hinter der Strahlenschutzkanzel positionieren oder mit Abstand vom Röntgengerät den Auslöser bedienen.

Die notwendigen Aufnahmen in 2 Ebenen (ventro-dorsal und latero-lateral) sind mit dieser Fixiereinrichtung möglich. Gut bewährt hat sich das Bedecken des Kopfes mit einem dünnen Tuch. Größere Vögel wie Schwäne u.a. sollten nur in Narkose geröntgt werden. Ansonsten werden oft mindestens 2 Haltepersonen im Röntgenraum gebraucht. Mittels Inhalationsnarkose schlummern die Tiere hervorragend. Bänder und Gewichte z.B. kleine Bleiplatten (aus alten Röntgenschürzen geschnitten) dienen wiederum als Hilfsmittel. Auch hier muss die tiermedizinische Fachangestellte nicht unbedingt in der „Röntgenschusslinie“ sein.
 

 
 
 

Blutentnahme

Relativ oft werden Blutentnahmen von Papageien vorwiegend für biochemische und molekulargenetische Untersuchungen vorgenommen. Die bevorzugte Vene bei Papageien und Sittichen ist die Vena cutanea ulnaris. Der Vogel wird von einer Halteperson in Rückenlage fixiert. Der Tierarzt oder eine weitere Helferin staut mit Zeige- und Mittelfinger die Vene proximal der Blutentnahmestelle. Nach Anfeuchten der Flügelhaut erfolgt die Blutentnahme mit einer Kanüle Größe 23 G oft mit aufgesetztem Blutröhrchen. Um Nachblutungen zu vermeiden muss die Entnahmestelle sofort mit Zellstoff abgedrückt und der Flügel an den Körper fest angelegt werden. Der Vogel ist dabei in aufrechte Position zu bringen und darf nicht flattern.

Diese diagnostischen Maßnahmen werden in der Regel nur in spezialisierten Praxen vorgenommen.
 
 

Eingabe von Medikamenten oder Zwangsfütterung mit der Sonde beim Vogel

Die Eingabe von Medikamenten oder eine Zwangsfütterung mittels Knopfsonde in den Kropf des Vogels ist eine sinnvolle Behandlungsmaßnahme. Knopfsonden gibt es in verschiedenen Größen und Formen, so dass für jede Vogelart die passende Sonde gewählt werden kann. Der dicke abgerundete Knopf am Ende der Sonde verhindert einerseits eine Fehlplatzierung in die Luftröhre, andererseits verhindert er eine Verletzung des Kropfes.

Die Knopfsonde wird von der linken Schnabelseite eingeführt. Dadurch gelangt die Sonde nicht in die Luftröhre. Den Knopf der Sonde kann man bei richtigem Sitz im Kropf durch die Haut fühlen. Bei kleinen Vögeln (z.B. Wellensittich) ist es möglich, 1 ml Flüssigkeit einzugeben, größeren Vögeln (z.B. Amazonen) können ca. 5 ml eingegeben werden.
 
 

Narkose der Vögel sowie Narkosenachsorge

Bei vielen chirurgischen Maßnahmen bei den Vögeln ist eine Narkose unbedingt notwendig. In der Vogelpraxis wird fast ausschließlich die Inhalationsnarkose verwendet. Diese ist auf Grund des Atmungssystems der Vögel sehr effektiv. Meistens wird eine Inhalationsmaske verwendet.

Die Tiermedizinische Fachangestellte fixiert den Vogel während der Anflutphase. Hierbei wird 1 min. mit Isofluran® 5 % angeflutet. Die Erhaltungskonzentration beträgt dann während des Eingriffes 0,8-1,8 % Isofluran®.

Die Tiere werden anschließend schnell wieder munter und sollten während der Aufwachphase am besten in die Wärmebox mit kontrollierter Wärme und Luftfeuchtigkeit oder in einen Käfig (ohne Stäbe und Spielzeug wegen Verletzungsgefahr) verbracht werden.